Springt Ihr Kind ständig beim Lernen auf? Warum das keine schlechte Angewohnheit sein muss – sondern ein Zeichen für ein lernfreudiges Gehirn.
Bild mit KI erstellt (DALL-E)
Vielleicht kommt Ihnen diese Szene bekannt vor: Ihr Kind sitzt am Tisch, der Stift in der Hand, das Arbeitsheft geöffnet. Doch kaum hat es begonnen, steht es wieder auf. Es läuft durchs Zimmer, schwingt die Arme, klettert vom Stuhl – und Sie fragen sich, warum es so schwer ist, einfach mal ruhig zu bleiben.
Gerade Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen wie ADHS, Hochbegabung oder Autismus erleben solche Situationen oft. Dabei steckt hinter dem ständigen Aufstehen häufig nicht Unwille oder Ablenkung – sondern ein faszinierender neurologischer Prozess. In diesem Artikel erfahren Sie, warum Bewegung beim Lernen eine wichtige Rolle spielt und wie Sie diesen Impuls liebevoll und effektiv begleiten können.
Das menschliche Gehirn ist kein statisches Organ. Es liebt Bewegung – vor allem im Kindesalter. Schon im Mutterleib beginnt Lernen durch Bewegung: Das Gleichgewichtssystem (Vestibularsystem), das eng mit Konzentration, Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit verbunden ist, entwickelt sich früh durch Bewegungserfahrungen.
Wenn Ihr Kind also beim Lernen aufsteht, streckt oder durch den Raum läuft, geschieht das nicht grundlos. Es ist eine intuitive Reaktion des Körpers, um das Gehirn wieder in Schwung zu bringen – um sprichwörtlich „neu zu denken“.
Gerade bei hochsensiblen, schnell überreizbaren oder sehr aktiven Kindern sind diese natürlichen Ausgleichsbewegungen ein Versuch des Nervensystems, in Balance zu bleiben.
Kinder sind von Natur aus bewegt. Still sitzen, stundenlang konzentriert auf Papier oder Bildschirm schauen – das entspricht nicht dem natürlichen Entwicklungsrhythmus. In der frühkindlichen Bildung wissen wir: Lernen geschieht durch Tun, Erleben, Fühlen – und durch Bewegung.
Früher wurde dieser Impuls oft unterdrückt: „Setz dich still hin!“ Doch heute wissen wir es besser. Besonders bei Kindern mit neurodiversen Eigenschaften (z. B. ADHS oder Autismus) kann starres Sitzen zu Überforderung führen, während kurze Bewegungspausen die Lernfähigkeit sogar steigern.
Ein überladener Schreibtisch, blinkende Lern-Apps oder grelle Farben auf Arbeitsblättern können das Gehirn zusätzlich stressen. Besonders sensible Kinder – sei es durch Hochbegabung, Hochsensibilität oder autistische Wahrnehmung – brauchen Klarheit und Ruhe, um ihr Potenzial entfalten zu können.
Hier ein paar erprobte Strategien, wie Sie Ihrem Kind helfen, beim Lernen in Bewegung zu bleiben – ohne dass es chaotisch wird:
Richten Sie im Kinderzimmer oder Wohnzimmer kleine „Lernstationen“ ein: z. B. einen Stehtisch zum Schreiben, eine Matte zum Lesen, einen Teppich fürs Sortieren oder Rechnen mit Materialien. So bleibt Ihr Kind in Bewegung, ohne den Lernfluss zu verlieren.
Verabreden Sie mit Ihrem Kind, dass es nach jeder Aufgabe kurz aufspringen, laufen oder hüpfen darf – als Mini-Belohnung, aber auch als echte Regenerationszeit fürs Gehirn.
Nicht jedes Kind lernt still am Tisch. Manche brauchen Liegen, Schaukeln, Knetmasse in der Hand oder rhythmische Bewegungen mit dem Fuß. Beobachten Sie: Was tut Ihrem Kind gut?
Achten Sie auf eine reizarme Umgebung: Weniger visuelle oder akustische Ablenkungen ermöglichen tieferes, fokussiertes Lernen – besonders bei schnell überforderten Kindern.
Viele Kinder lernen kinästhetisch – also über Bewegung. Für sie ist Stehen, Gehen oder rhythmisches Wippen nicht Ablenkung, sondern ein Ausdruck von Konzentration.
Das gilt besonders für:
In der Praxis sehen wir oft: Wenn Kinder „in Bewegung lernen dürfen“, behalten sie Inhalte besser, fühlen sich wohler – und verlieren weniger schnell die Lust.
Kinder mit besonderen Begabungen oder neurodiversen Wahrnehmungen zeigen häufig eine besonders enge Verbindung zwischen Denken, Fühlen und Bewegung. Gerade bei hochbegabten, autistischen oder Kindern mit ADHS wird der Bewegungsdrang oft missverstanden – dabei ist er oft ein notwendiger Teil ihres Lernprozesses.
Bei vielen hochbegabten Kindern läuft das Gehirn auf Hochtouren. Sie denken komplex, verknüpfen blitzschnell Informationen – und sind mitunter schneller im Kopf als ihr Körper mitkommt. Das äußert sich oft in:
Hier ist Bewegung kein Zeichen mangelnder Konzentration – sondern ein Versuch, komplexe innere Prozesse zu regulieren.
Autistische Kinder nehmen ihre Umwelt oft intensiver oder anders wahr. Geräusche, Licht, Berührungen oder Anforderungen im sozialen Miteinander können überwältigend wirken. Bewegung ist für viele von ihnen eine zentrale Strategie zur Verarbeitung:
Bewegung bei autistischen Kindern ist oft Teil ihrer Selbstregulation – kein „Fehlverhalten“, sondern eine hilfreiche Reaktion auf ihre Umwelt.
Bei Kindern mit ADHS ist der Bewegungsdrang kein „Störenfried“, sondern ein Teil ihrer neurologischen Ausstattung. Das Gehirn dieser Kinder braucht oft mehr Reize und Bewegung, um aktiv und konzentriert zu bleiben. Stillstand kann dagegen schnell zu innerer Unruhe oder Abschalten führen.
Typische Muster:
Anstatt Bewegung zu unterdrücken, lohnt es sich bei ADHS-Kindern, sie als natürlichen Teil des Lernens einzuplanen – bewusst, liebevoll und klar strukturiert.
Wenn Ihr Kind beim Lernen aufsteht, herumläuft oder zappelt, bedeutet das nicht automatisch Unaufmerksamkeit. Vielleicht ist es einfach auf dem besten Weg, sich selbst zu regulieren – auf seine Weise.
Statt das Verhalten zu unterbinden, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Welche Lernumgebung passt zu meinem Kind? Welche Pausen braucht es? Wie kann ich Bewegungsimpulse liebevoll begleiten?
Lernen ist keine Einbahnstraße. Und Kinder sind keine Maschinen. Wenn wir ihnen den Raum geben, sich in ihrem Rhythmus zu entfalten, geschieht oft Erstaunliches.
👣 Kleiner Impuls zum Schluss:
Beobachten Sie in den nächsten Tagen, wann Ihr Kind beim Lernen aufsteht – und was danach passiert. Vielleicht entdecken Sie darin schon den ersten Schritt in Richtung eines gehirngerechten Lernalltags.